Artikel lesen

LOUA

„Wenn ich jemals mehr als drölf Menschen in einer Community habe, die ich ansprechen kann, dann nutze ich meine Reichweite über mein Ego hinaus für etwas Gutes.“

27. November 2025

Lagerkoller: Erzähl uns etwas über deinen letzten Release „Normalgewicht“

LOUA: Es geht darum, wie man sich in dieser Welt mit komplett unrealistischen Körperidealen mit seinem eigenen Körper fühlt. „Normalgewicht“ handelt von meinem eigenen Figur-Kampf mit mir selbst, der daher rührt, dass ich das Gefühl habe, gar nicht richtig sein zu können. Man ist immer zu dick oder zu dünn, zu muskulös, zu weich oder zu knochig. Ich weiß schon allein durch die Kommentare und Direct Messages, die ich zu diesem Song erhalten habe und auch durch persönliche Gespräche nach Konzerten, dass es vielen, vor allem jungen Frauen, genauso geht. Wir werden gesellschaftlich dazu erzogen, uns unzureichend zu fühlen, und ich finde, wir sprechen zu selten darüber. Eigentlich habe ich den Song zuerst nur für mich – fast schon als therapeutische Maßnahme – geschrieben. Er war nicht sonderlich kommerziell und extrem persönlich. Am Ende war mir das egal. Er hat mir viel bedeutet und ich hatte die Hoffnung, dass er da draußen vielleicht den ein oder anderen ermutigen könnte. Also ist er jetzt draußen. Und ich glaube, er hilft.

Lagerkoller: Was macht deine Musik aus?

LOUA: Es ist immer etwas komisch, so über seine eigene „Kunst“ zu sprechen. Eigentlich müssen das andere beurteilen. Aber es gibt auf jeden Fall Aspekte, die mir beim Schreiben von Musik besonders wichtig sind. Ganz oben stehen die Inhalte und Lyrics. Wahrscheinlich ungewöhnlich, das als Musikerin zu sagen, dass ich etwas vor die Musik selbst stelle, aber ich glaube, das liegt daran, dass der Wunsch in mir, einen Song zu schreiben, immer über den Inhalt erwächst. Begeisterung fühle ich, wenn ich es schaffe, mit meinen Lyrics genau das zu sagen, was ich sagen möchte. Wahrscheinlich suche ich auf diese Art auch einen tieferen Sinn und einen Mehrwert in dem, was ich da tue. Deshalb ist meine Musik mittlerweile das Ehrlichste, was ich zustande bringe. Das ist auch der Grund, warum ich kaum blumige Sprache verwende. Ich mag, wenn man versteht, worum es mir geht, in der Hoffnung, dass sich der ein oder andere darin wiederfindet und weniger allein fühlt. Die Musik, die ich dazu schreibe, soll die inhaltlichen Aspekte dann eigentlich nur bestmöglich emotional verpacken. Hier setze ich auf Schlichtheit vor Komplexität und eine Mischung aus organischen und Synth-Elementen. Pop mit einem Hauch urbanem und cineastischem Sound.

Lagerkoller: Woher nimmst du deine Inspiration?

LOUA: Aus dem Leben. Die aus meiner Perspektive wertvollsten Ideen habe ich, wenn ich mich auf meine Lieblingsbank im Park setze und mal eine Weile nichts tue. Irgendwann ploppt was in meinem Kopf auf, das mich in meinem Leben beschäftigt, und die Zeilen fliegen mir zu.

Dann heißt es „Wer ist schneller?“ – mein Kopf oder meine Finger, die das Ganze ins Handy tippen. Es war aber auch wichtig für mich zu lernen, dass man Inspiration nicht planen oder erzwingen kann. Ich würde heute sogar so weit gehen zu sagen: Inspiration kommt dann, wenn sie nicht von 1000 anderen Dingen, die im Leben zu oft zu viel Präsenz haben, übertönt wird. Aber eigentlich ist sie immer da. Die Kunst ist, sie unter Schichten von Ego, Illusion, Ablenkung, Dauerbeschallung etc. zu finden und sprechen zu lassen.

Lagerkoller: Wenn du dir ein Feature wünschen könntest – mit wem wär’s?

LOUA: Ich hätte große Lust, was mit Madeline Juno zu machen.

Lagerkoller: Gibt es einen konkreten Moment, der dich dazu bewegt hat, Musik zu deinem Beruf zu machen?

LOUA: Ich habe gerade versucht, mich an einen konkreten Moment zu erinnern, in dem dieser Wunsch in mir aufkam, aber ich erinnere mich stattdessen nur an mich mit der Haarbürste in meinem Kinderzimmer, wie ich mir unter jeder Unebenheit der Raufasertapete einen Kopf eines gigantischen Publikums ausgemalt habe. Dieser Traum hat sich von da an eigentlich nie groß verändert. Dass ich das machen wollte, war mir da schon klar. Und je älter ich wurde, desto mehr hatte ich in der Hand, mich Stück für Stück dafür zu entscheiden. Ich glaube also, es war nicht eine Entscheidung, sondern viele sehr kleine, die am Ende dazu geführt haben, dass ich diesen Job jetzt tatsächlich mache.

Lagerkoller: Was heißt „ernst machen“ für dich? Willst du das überhaupt?

LOUA: Definitiv – nur mittlerweile etwas anders als zu Beginn. Früher ging es mir viel um die immer größeren Bühnen, die Zahlen, die langsam aber sicher wuchsen, und das nächste „Level“, auf das man kommen kann. Aber je länger ich das mache, desto mehr ist „ernst machen“ für mich, dass ich mich selbst in dem wiedererkennen will, was ich da tue und eben kein Sklave von Zahlen bin, solange ich meine und vor allem fühle, was ich mache. Viele sagen zu mir, es ist doch viel schlimmer, mit etwas zu scheitern, was man zu 100 % ist und wofür man sich komplett nackt gezeigt hat. Für mich ist es andersherum. Etwas zu sein, das ich nicht bin, ist anstrengender als alles andere. Deswegen mache ich in letzter Zeit „ernst“, indem ich nur tue, was sich richtig anfühlt.

Lagerkoller: Was bedeutet dir der Begriff „Newcomerin“ – eher Ansporn oder Druck?

LOUA: Weder noch. Also don’t get me wrong – fast alles in der Musikindustrie ist irgendwie Druck. Aber ich würde sagen, es bedeutet, Möglichkeiten zu haben. Manchmal wäre ich sogar gern wieder ein komplett weißes Blatt Papier, auch wenn ich selbst eigentlich noch am Anfang bin. Denn malt man einmal einen Strich darauf, ist er nun mal da. Das schränkt auf gewisse Art ein. Ich liebe es zu experimentieren und Erwartungen durch bereits veröffentlichte Musik sind dann oft eher ein „Problem“. Insofern ist Newcomerin sein für mich so etwas wie Freiheit. Denn sobald ich mit etwas so richtig erfolgreich wäre, wollen alle nur noch das von mir. Im besten Fall passiert das erst in dem Moment, in dem man sich komplett gefunden hat – aber was, wenn nicht?

Lagerkoller: Welche Artists inspirieren dich aktuell am meisten?

LOUA: Ich höre eine sehr bunte Mischung an englischem und deutschem Pop, z. B. von Sia, Imagine Dragons, Jassin oder Madeline Juno. Ich versuche aber aktuell, so wenig wie möglich auf andere zu schauen, wenn ich meine eigene Musik mache. Ich will mich einfach noch mehr selbst finden.

Lagerkoller: Wie nimmst du die aktuelle Musikszene wahr – eher motivierend oder herausfordernd? Welche Rolle spielt Social Media?

LOUA: Ganz ehrlich? Energieraubend. Ich hatte immer einen hohen Tatendrang und kein Problem mit vielen herausfordernden Aufgaben. Aber das Gleichgewicht zwischen dem, was die Industrie beisteuert, und dem, was die Artists – und vor allem Newcomer:innen – heutzutage alles selber machen müssen, muss dringend besser werden. Ich habe vor Kurzem auf einem Event gehört, dass – ich glaube, es waren 4 von 5 – Content Creator:innen in Deutschland mit Burnout-Symptomen zu kämpfen haben. Und das ist der Job, den Musiker:innen jetzt neben ihrem ohnehin schon zeitaufwendigen Musikerdasein zusätzlich ausüben müssen. Ich nenn’s mal beim Namen und sage: Das ist Selbstausbeutung und geht eigentlich nur, wenn man den Antrieb irgendwo herholt, wo der Ursprung nicht mehr gesund sein kann. Abgesehen davon fühlt es sich für mich so an, dass Social Media sehr konträr ist zu dem, was einen als Musiker:in ausmacht. So entsteht ein ständiger Kampf zwischen der einen und der anderen Seite des Jobs, und man wird keiner je 100-prozentig gerecht. Ich glaube, das ist langfristig nicht gut dafür, wo sich die Musiklandschaft und auch Qualität hinbewegt. Und von AI hab ich noch gar nicht angefangen.

Lagerkoller: Was ist dir wichtiger: Reichweite oder künstlerische Freiheit?

LOUA: Ersteres braucht man als Künstler:in vor allem für eins: zum Überleben. Aber gerade bin ich an einem Punkt, an dem ich eher komplett mit der Musik aufhören würde, als meine künstlerische Freiheit dafür einzuschränken, dass ich unbedingt mehr Menschen erreichen will. Ist aber gar nicht so tragisch – ich glaube nämlich, dass die Reichweite sich auch gerade daraus ergeben kann, dass man mit sich und seiner Musik in Einklang ist. Wenn das nicht so ist, ist für mich auch einfach der Sinn des Künstlerdaseins verfehlt.

Lagerkoller: Was bedeutet für dich Authentizität?

LOUA: Selbstakzeptanz und Ehrlichkeit. Letzteres kann ich, ersteres macht mir Probleme. Aber ich bin dran!

Lagerkoller: Inwieweit findest du es wichtig, als Künstler:in politische Aussagen zu tätigen/Standpunkte öffentlich zu vertreten?

LOUA: In heutigen Zeiten extrem wichtig. Ich hab mir schon vor ’ner ganzen Weile geschworen: Wenn ich jemals mehr als drölf Menschen in einer Community habe, die ich ansprechen kann, dann nutze ich meine Reichweite über mein Ego hinaus für etwas Gutes. Ich finde, wenn man diese Möglichkeit hat, ist es irgendwo deine Verantwortung, das zu tun. Da ich es selbst öfter schon getan habe, weiß ich aber, welche Anfeindungen damit einhergehen können. Schwach finde ich nur, wenn man sich aus Profitgründen raushält. Ich verliere gern ein paar Follower an eine gute Sache. Für sie ist meine Musik dann wahrscheinlich eh nichts.

Lagerkoller: Wie gehst du mit Zweifeln oder Rückschlägen um?

LOUA: Ich mache gerade wieder eine Therapie. Ich bin überzeugt davon, dass jeder stark daran wachsen kann, und ich hab meine Psyche in dieser etwas verrückten und durchaus auch ungesunden Industrie gern im Blick. Man erlebt in diesem Feld immer mehr Rückschläge und fühlt mehr Zweifel als Erfolge. Deshalb versuche ich mir im Moment vor allem bewusst zu machen, dass es ein Privileg ist, Musik machen zu können, und will – so komisch es klingt – weniger auf gut gemeinte Ratschläge von außen reagieren. Es gibt in der Kunst keinen richtigen Weg zum Erfolg. Aber es gibt definitiv einen falschen Weg, würde ich sagen: Wenn man sich selbst verliert und irgendwann die Leidenschaft einbüßt. Deshalb konzentriere ich mich auf das, was sich für mich gut anfühlt. Ich scheitere immer noch lieber mit etwas, das ich liebe und worauf ich stolz bin, als mit etwas, das andere für mich ausgesucht haben, was ich nie richtig gefühlt habe.

Lagerkoller: Was sollten Menschen fühlen, wenn sie deine Musik hören?

LOUA: Am liebsten wäre mir, sie würden sich verstanden fühlen, obwohl ich das gleichzeitig nicht hoffen will, weil das bedeuten würde, dass wir einige düstere Gedanken teilen. Aber da wir nun mal in der Welt leben, in der wir leben, ist es vielleicht auch wieder okay.

Lagerkoller: Deine Bad Habits?

LOUA: Uff, die ganze Liste? Ich rede mich oft selbst klein, bin perfektionistisch und geh anderen damit auf den Keks und schwanke ständig von einem Extrem in ein anderes. Aber hey, ich wär ja nicht Artist geworden, wenn bei mir alles rund laufen würde, oder? Dann hätte ich ja auch gar nix zu erzählen.

Lagerkoller: Was steht als Nächstes an? Kommende Releases? Tour?

LOUA: Anfang Dezember kommt meine erste EP „Kontraste“ raus und im März 2026 geh ich dann das allererste Mal mit eigener Musik auf Tour. Es kommt auf jeden Fall noch viel Musik und im März erlebe ich dann wahrscheinlich ganz viele Lieblingsmomente auf der Bühne. Ich hoffe, die Tour wird auch zum Lieblingsmoment derer, die vorbeischauen. Ich kann´s jedenfalls kaum erwarten!

Unsere Musikempfehlungen

Weitere Beiträge

Ueber Dich

Billenstein

Billenstein – Zurück mit Gefühl: Der deutsche Sam-Fender-Moment. Nach langer Pause meldet sich ein alter Bekannter zurück.

Artikel lesen
Musik von morgen

joseff – Forever

Mit „Forever“ bringt Joseff, das Projekt des deutschen Musikers Peter Söltl, am 17. Oktober 2025 einen Track heraus.

Artikel lesen